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SOMMERSPEZIAL: Das Geheimnis glücklicher Paare (einschließlich der 4 apokalyptischen Reiter) - nach John Gottman - Teil II

Grit Heyse • 22. August 2022
Fortsetzung des Beitrages des 22. Juli 2022
Der 2. apokalyptische Reiter: Verteidigung

Die Verteidigung ist eine typische und sogar biologisch normale Reaktion auf den gefühlten Angriff einer Kritik. Und doch ist sie für die Beziehung giftig, denn wir übergehen damit einen entscheidenden Schritt in der Kommunikation. So menschlich es auch ist, sich bei Angriff zu wehren, so fatal ist dieser Schritt in der partnerschaftlichen Kommunikation. Der andere möchte, so kritisch er sich gerade auch äußert, ja wahrgenommen werden mit seiner Verletzung. Gehe ich in die Verteidigung, bin ich aber nicht beim Partner, sondern bei mir selbst.

Fakt ist, der Partner agiert hier gerade eine Verletzung aus. Die braucht nicht mal per se etwas mit mir zu tun haben. Doch ich verbessere den Umstand nicht, indem ich die Verletzung des Partners beiseite schiebe. Egal auf welche Art und Weise ich mich wehre, die Verletzung ist nach wie vor da. Und in dem ich mich verteidige, hat der andere noch mehr das Gefühl, es geht mir nur um mich und fühlt sich nicht ernst genommen. Und so rauschen wir gemeinsam in die Abwärtsspirale unserer Kommunikation.

Statt mich zu rechtfertigen, wäre es also hilfreicher, auf die Kritik meines Gegenüber einzugehen, die dahinter liegenden Gefühle und Bedürfnisse herauszufinden und gemeinsam zu überlegen, wie man das Problem in Zukunft händeln könnte, damit beide zufrieden sind. (Wenn die Wogen sich geglättet haben, kann ich natürlich noch darauf hinweisen, dass ich nicht gern mit Schimpfwörtern wie „faule Socke“ betitelt werde.)


Der 3. apokalyptische Reiter: die Verachtung, „die Schwefelsäure der Liebe“


Die Verachtung ist für Gottman der gefährlichste Untergangsbote, denn hier geht es nicht nur darum zu kritisieren, sondern um eine bewusste Verletzung.

Verachtung tritt in verschiedenen Formen auf, z.B. in Form von Sarkasmus und Zynismus (Das hast du ja wieder toll hingekriegt.), oder respektlosem Spott (Oh, wieder eine deiner blöden Bemerkungen?) oder durch Verhöhnung (Das war ja klar, dass du gleich wieder hysterisch wirst.)

Verachtung ist so toxisch, weil damit keine Probleme gelöst werden sollen, sondern bewusst Wunden aufgerissen werden.


Verachtung taucht nicht plötzlich auf. „Verachtung wird von lange schwelenden negativen Gedanken über den Partner genährt“, stellt Gottman fest. „Solche Gedanken können entstehen, wenn Schwierigkeiten nicht gelöst sind.“


Durch Verachtung werden gleich mehrere Prinzipien einer gelungenen Kommunikation verletzt: hier kommt es weder zu einem respektvollem Umgang miteinander, noch kann ein Ungleichgewicht wieder hergestellt, oder das eigentliche Problem behoben werden.


Der 4. apokalyptische Reiter: Rückzug bzw. Mauern


Dieser toxische Reiter stellt auf Durchzug und ist weder äußerlich noch innerlich erreichbar. Bei Männern ist der Rückzug, laut Gottman, ausgeprägter vorhanden als bei Frauen. Hier bricht das Ín Verbindung sein`zwischen Partnern vollständig zusammen. Ein Austausch, die Kommunikation ist nicht mehr möglich.


„Nichts hinterlässt den anderen so machtlos wie das Mauern. Es signalisiert: Ich spüre keinen Ärger und keine Verachtung mehr. Ich spüre gar nichts mehr. Du bist mir gleichgültig. Du bist Luft für mich.“


Die Auswirkung = Gemeinsam einsam.


In dieser Phase der Beziehung angekommen, suchen viele die fehlende Nähe und den fehlenden Austausch im Außen: z.B. im Seitensprung. Mit einem großen Knall zerfällt der schleichende Zerfall der Partnerschaft.


Glückliche Paare DENKEN ANDERS


Das Forscherteam um Gottman hat also herausgefunden, dass glückliche Paare anders streiten, im Gegensatz zu unglücklichen Paaren.

Glückliche Paare ärgern sich auch übereinander, treten aber rechtzeitig auf die Notbremse, so dass sie erst gar nicht in der Verachtung oder dem Rückzug landen.


Aber wie schaffen sie es, rechtzeitig die Notbremse zu ziehen? SIE DENKEN ANDERS!


Stell Dir vor, du willst Deinen PartnerIN überraschen. Du hast vorher schon angefragt, wann er an diesem Abend da sein wird und Du beginnst mit den Vorbereitungen für einen schönen gemeinsamen Abend (Einkauf, Kochen, Tisch decken usw.). Wer nicht kommt ist Dein Partner. Das Essen wird kalt, die Kerzen werden kleiner... Du versuchst ihn über das Handy zu erreichen, nichts. Du spürst, wie es mittlerweile in Dir zu brodeln beginnt. 2 Stunden später öffnet sich die Tür, er kommt fröhlich mit einem Scherz auf den Lippen herein und sagt: „Hallo Schatz!“

Wie reagierst Du?


1. Bist Du sauer? Denkst: Typisch! Nie kann man sich auf ihn verlassen. Da frag ich noch nach und er sagt ja, und trotzdem... Er hat mich schlichtweg vergessen. Immer ist er unzuverlässig und ich muss warten.


2. Oder, Du bist zwar enttäuscht, denkst aber: Naja, ich hab zwar nachgefragt, aber er wusste ja gar nichts von einer Überraschung. Wer weiß was war. Er kommt sicher nicht absichtlich zu spät. Schön, dass er nun da ist. Und so spät ist es ja auch noch nicht, da können wir ja noch was draus machen.  


Glückliche Paare schauen auf das Problem, auf die äußeren Umstände, und verbinden diese nicht mit dem Charakter des Partners.


Das Rezept einer glücklichen Partnerschaft lautet, die Verhaltensweisen des Partners in ein positives Licht zu stellen.


„Das große Geheimnis jeder guten Ehe ist, jeden Unglücksfall als Zwischenfall

und keinen Zwischenfall als Unglücksfall zu behandeln.“

- Harold Nicolson (britischer Diplomat) -


Glückliche Paare HANDELN ANDERS


Intimität entsteht, laut Gottman, in ganz gewöhnlichen Zwiegesprächen.


„Sind zwei Menschen zusammen, so werben sie immer wieder gegenseitig um Aufmerksamkeit. Sie versuchen, eine emotionale Verbindung zum Partner herzustellen.“

- Bas Kast -


ES GEHT DARUM, SICH DEM PARTNER ZUZUWENDEN! Einer redet, einer hört bewusst zu. Einer sagt etwas, der andere geht darauf ein. Einer lächelt, der andere lächelt zurück. Einer zeigt etwas, der andere schaut hin.


Ein Paar hat zusammen einen Film gesehen:


„Sie hat wunderbar gespielt. Eine hervorragende Gesichtsmimik.“

„Ja, wie sie die Augenbraue gehoben hat. Herrlich. Ich kann das gar nicht. Kannst du eine Augenbraue heben?“

„Warte. (Sie versucht es) Nein. Das kann ich auch nicht.“


Ein für Außenstehende völlig belangloser Dialog und trotzdem beinhaltet er alle Zutaten des Rezepts einer glücklichen Beziehung: ZUWENDUNG IM ALLTAG, aufeinander eingehen, miteinander Intimität leben.

Romantik im Supermarkt


“Die Meister der Ehe zeigen, wie Gottman beobachtet hat, ihre Zuneigung nicht nur in Spezialsituationen, sondern wann immer es geht, also beispielsweise auch beim Kaffeetrinken, Geschirrspülen oder bei einem unscheinbaren Einkauf im Supermarkt: „Auch wenn es komisch klingt“, lautet das Fazit des Forschers, „Romantik wächst wirklich, wenn ein Ehepaar im Supermarkt steht und die Frau sagt: „Haben wir noch Waschmittel?“ und der Mann nicht nur apathisch mit den Schultern zuckt, sondern antwortet: „Ich weiß nicht. Ich hole eben welches, für den Fall, dass wir keins mehr haben.““

- Bas Kast -


Das ist eine Liebeserklärung, die Du deinem Partner jeden Tag machen kannst. Und sie ist wirkungsvoller als jeder große Auftritt mit Champagner, Blumen, Schmetterlingen und großem Gefühlskino. Es kommt auf die kleinen und regelmäßigen Zeichen im Alltag an. 


Die Liebe lebt von liebenswürdigen Kleinigkeiten.“

- Theodor Fontane -


Bücher:

Gottman, J. & Schwartz-Gottman, J. (2022). 8 Gespräche, die jedes Paar führen sollte... damit die Liebe lebendig bleibt. Berlin: Ullstein extra.


Gottman, J. (2014). Die 7 Geheimnisse der glücklichen Ehe (9. Aufl.). Berlin: Ullstein Taschenbuch Verlag.


Kast, B. (2021). Die Liebe und wie sich Leidenschaft erklärt (2. Aufl.). Frankfurt am Main: Fischer Taschen Bibliothek.


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