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Die „lange dunkle Nacht“ - Die „midlife crisis“ des Mannes

Grit Heyse • 22. März 2022
Das Thema „midlife crisis des Mannes“ hat erst zart an meine Praxistür geklopft, ist dann aber innerhalb kürzester Zeit geradezu mit der Tür ins Haus gefallen.
Es sind vor allem die Frauen, die sich bei mir völlig erschöpft und ratlos melden, weil kein Gespräch mehr möglich scheint, sich Unzufriedenheit, Gereiztheit, Unruhe und Vertrauensverlust in die Beziehung schleichen und Trennung als einziger Ausweg immer mehr ins Zentrum des Alltags rückt.

Die gute Nachricht dabei ist, liebe Männer, und natürlich liebe dazugehörige Frauen - Ihr seid nicht allein! Die schlechte Nachricht jedoch ist: ICH BIN EINE FRAU! Und ich bleibe es auch :-). 
Mit einem Wort, wer bin ich schon, Euch Männern Eure ganz eigene Krise erklären zu wollen. Als Beraterin habe ich zwar Methoden und Techniken an der Hand, die mich befähigen, Euch zu begleiten, doch es bleibt die Tatsache bestehen, dass ich kein Mann bin, und dass Euch das schließlich auch bewusst ist.

Deshalb habe ich beschlossen, den Mann in diesem Blogartikel sprechen zu lassen, der mich schon seit 26 Jahren begleitet und mir über viele Jahre die Welt „meiner Männer“ (Vater, Stiefvater, Brüder, Freunde, Ehemann und nicht zuletzt meiner Söhne) versucht hat nahezubringen.

Steve Biddulph ist ein australischer Familientherapeut und widmete sich schon früh dem Thema: Männer, Väter & Söhne.

Die Krise des Mannes beschreibt er wie folgt:

„Die meisten heutigen Männer tun sich zuerst mit einer Frau zusammen und werden dann erwachsen - falls sie Glück haben und die betroffene Frau genügend Geduld aufbringt. Die eine oder andere Wachstumskrise ist somit geradezu vorprogrammiert. Und wir müssen versuchen, diese Phasen innerhalb der Beziehung zu meistern. [...]

Wir verlieben uns meistens dank eines glücklichen Zufalls. Es passiert einfach so. Die Kultivierung dieser Liebe bleibt aber zumeist ebenfalls dem Zufall überlassen Anders als die Angehörigen jener Gesellschaften, in denen Ehen arrangiert werden, wissen wir nicht, dass die Liebe eine Kunst ist und deshalb Übung verlangt. Und so geht den meisten Männern und Frauen zu guter Letzt jener geheimnisvolle Funken verloren - und sie entlieben sich.

Der Mann gesteht sich das im Allgemeinen nicht ein und ist zufrieden, solange seine Partnerin ihm sexuell weiterhin willfährig ist. [...] Die Sexualität ist dann eine Art Ausgleich für die Tretmühle des Alltags - samt Kreditrückzahlung, kleinen Kindern und Pensionsanspruch.


Viele moderne Frauen haben inzwischen jedoch genug von dieser Art Routine-Sex. Eben jene Eigenschaft, die aus einem Mann einen guten Ehemann macht - seine stete Arbeit für die Familie -, lässt seine Seele verkümmern, und er erscheint plötzlich langweilig. Weil ein solches Leben inklusive der oben erwähnten Routine-Sexualität langweilt, kühlt die Frau zunehmend ab und nimmt ihr ureigenes Recht in Anspruch, den Liebesakt zu verweigern. Mag der Mann auch noch so sehr jammern, leiden, herumnörgeln und auf Abhilfe sinnen, es nützt ihm alles nichts.


In dieser Situation gibt es nun zwei Verhaltensmöglichkeiten. Ein Mann mit geistig-seelischen Reserven empfindet eine solche Phase lediglich als vorübergehenden Rückschlag. Er gesteht sich zunächst ein, dass sein Liebesleben tatsächlich in Routine erstarrt und die Beziehung zu seiner Frau hohl geworden ist. Vielleicht ringt er sich sogar zu der Erkenntnis durch, dass auch er selbst in der Vergangenheit nicht ganz so zufrieden gewesen ist, wie er sich das immer eingeredet hat. Und so versucht er, gemeinsam mit seiner Frau, einen Neuanfang. [...]

Für viele Männer jedoch, denen es an innerer Sicherheit fehlt, kommt der Verlust des sexuellen Kontaktes einer Katastrophe gleich - abgesehen von dem aktuellen Gefühl des Unbefriedigtseins. Der seit seiner Kindheit gefühlsverschlossene, dumpf in seinen Körper eingesperrte Durchschnittsmann fühlt sich nämlich nur dann wirklich lebendig, wenn er Sex hat. Einzig die Sexualität eröffnet ihm seinen inneren Körper. Und jetzt ist auch noch dieser Weg versperrt. Vielleicht reicht das Problem sogar noch tiefer. Da er von seinem Vater nicht genügend männliche Zuwendung erfahren hat, hat er sich nie wirklich von seiner Mutter gelöst. Vielmehr hat er einfach seine Bedürfnisse nach Bemutterung auf seine Frau übertragen. Und so leidet er nicht nur unter dem Verlust sexueller Befriedigung, sondern auf einer subtileren, infantilen Ebene zugleich auch unter dem Gefühl des Liebesverlustes. [...]


Ein in diese Situation geratener Mann verhält sich meist auch noch schwach und hilflos. Dadurch wird er für seine Frau noch unattraktiver, wie sehr sie auch grundsätzlich noch Sympathie für ihn empfinden mag. [...]


Vielleicht reagiert er aber auch bösartig oder gewalttätig, oder aber er wird knausrig mit dem Geld oder stürzt sich in eine Affäre. Das ist fast immer ein schwerer Fehler. Mit der neuen Frau wird er nämlich höchstwahrscheinlich das alte Muster abermals durchspielen. Und fünf Jahre später befindet er sich dann wieder an demselben Punkt. Inzwischen vielleicht fünfundvierzig Jahre alt, läuft er nachts plötzlich wieder mit einem plärrenden Baby in der Wohnung herum und denkt: Das habe ich doch alles schon mal erlebt.


Der Mann, der seine Krise überstanden hat


Den Mann, der die „lange dunkle Nacht“ durchsteht, erwarten zahlreiche Belohnungen. Er verliert jene säuglingshafte Abhängigkeit, die so viele Männer charakterisiert. Er hat es plötzlich nicht mehr eilig. Besonders gegenüber Frauen verhält er sich anders. Er ist nicht mehr mutterorientiert und passiv, jedoch weiterhin verspielt und ironisch. Auch mit sich allein zufrieden, behandelt er Frauen von gleich zu gleich. Da er einer Frau ein echter Gefährte zu sein vermag und sich weniger fordernd verhält als zuvor, erscheint er plötzlich auch atrraktiver. Es ist nämlich eine Tatsache, dass alles von selbst auf uns zukommt, wenn wir nicht mehr auf Gedeih und Verderb auf Liebe oder Zuneigung angewiesen sind.


Wunden heilen heißt, sie zu fühlen. Ungefähr das Schwierigste für einen Mann ist zuzugeben, dass er Hilfe braucht. Aber wer sich nicht dabei helfen lässt, die Wunden der Kindheit zu heilen, der hat auch in seinem späteren Leben weiterhin unter ihnen zu leiden. entweder geht er gelähmt und depressiv durchs Leben, oder aber er legt ein völlig entgegengesetztes Verhalten an den Tag, was genauso schlimm ist.


Kurz gefasst

= Stimmen Sie Ihrer Frau nicht um des lieben Friedens willen zu. Sprechen Sie aus, was Sie für richtig halten. Sie müssen eine klare Linie verfolgen und dürfen weder aus Schwäche einlenken noch gewalttätig oder einschüchternd reagieren. Beides ist ein Symptom für unnötige Angst.

= Männer sind nicht so geschickt in verbalen Auseinandersetzungen, da sie oft schon als Jungen weniger Training erfahren haben. Üben Sie so lange, bis Sie den Bogen raushaben.

= In der Sexualität und in der Liebe muss der Mann einen Großteil der nötigen Aktivitäten entfalten. Das ist biologisch so vorgegeben. Lernen Sie, ausdauernd und höflich auf Ihr Ziel zuzusteuern. Seien Sie fürsorglich. Bedrängen Sie die Dame Ihres Herzens nicht. Versuchen Sie, sie für sich einzunehmen. Sollte dies einmal nicht gelingen, so nehmen Sie das nicht persönlich.

= Die meisten Ehen durchlaufen Phasen der sexuellen Distanz und Verschlossenheit. Glauben Sie deshalb nicht gleich, Sie seien nicht liebenswert. Seien Sie deswegen auch nicht niedergeschlagen, sondern nehmen Sie einfach ein zeitweilig unglückliches Sexualleben hin. Versuchen Sie herauszufinden, was schief gelaufen ist, und sorgen Sie dann für Abhilfe.

= Manche Männer wissen zwischen ihrer Frau und ihrer Mutter nicht recht zu unterscheiden ... Wenn Ihre Partnerin sexuelle Avancen als übertrieben fordernd oder „bedürftig“ empfindet, kann sie sich durchaus abgestoßen fühlen. Das ist eine gute Gelegenheit, ein bisschen erwachsener und weniger emotional abhängig vom Sex zu werden. Auf Sex nicht angewiesen zu sein, macht Sie im Übrigen viel attraktiver.“

- Steve Biddulph -


Wenn Ihr, liebe Männer und Frauen, mehr über „den wilden Geist des Mannes“ erfahren wollt, so kann ich Euch das Buch „MÄNNER AUF DER SUCHE“ von Steve Biddulph  empfehlen. Es liest sich flüssig, humorvoll und wurde mit Leidenschaft geschrieben. 


Braucht Ihr Begleitung und Unterstützung auf Eurem Weg, so stehe ich Euch gern zur Verfügung, denn aller Anfang, egal, ob Mann oder Frau, liegt in unseren Herkunftsfamilien und Familienmustern, teils über Generationen.


Ich freue mich auf Euch!


Buch:
Biddulph, S. (2003): Männer auf der Suche. Sieben Schritte zur Befreiung. Heyne Verlag.

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