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Krankheiten & Süchte - Botschaften unseres Körpers

Grit Heyse • 22. Oktober 2022
Ein großer Anteil, den meine Klienten über ihre sie belastenden Themen mitbringen sind Krankheiten und Süchte. Dieser Anteil betritt unbewusst an der Seite der Familien meine Praxis und im besten Falle konnten wir sie beim Verlassen der Räume bewusst machen.

„Die meisten Menschen glauben noch immer, dass eine Krankheit eine körperliche Störung sei, die den einen eben zufällig trifft und den anderen ebenso zufällig verschont. Krankheit wird aber durch unser Verhalten „notwendig“ gemacht und hat nur einen Sinn, nämlich uns auf ein falsches Verhalten aufmerksam zu machen und uns gleichzeitig zu einer Korrektur des falschen und damit disharmonischen Lebens zu veranlassen und wenn es erforderlich ist, auch zu zwingen.“ (Tepperwein, 2020, S. 17)

Auch ich, die über die eigene Arbeit schon lange davon weiß und mit vielen Klienten immer wieder daran gearbeitet habe, komme nicht um meine eigenen Lernprozesse herum. So wissen viele, dass ich derzeit die Praxis für eine Weile schließen musste, da ich im Juni von einem Tag zum anderen nicht mehr laufen konnte. 
Das Symptom spricht für sich: Die Beine stehen für das Vorangehen im Leben, doch ich fühlte mich plötzlich mitten auf der Straße wie gelähmt. Kein Schritt ging mehr. 
Das ist der Superknall in der Selbständigkeit. Und wider besseren Wissens arbeitete ich noch ein bisschen weiter. Doch unser Körper sitzt am längeren Hebel. Hier passt der Spruch: Wer nicht hören will muss fühlen, und so bekam ich noch einen Schwankschwindel hinzu. Schwindel ist die Weigerung der Realität ins Auge zu schauen. Von einem Moment auf den anderen musste ich mich plötzlich überall abstützen. Nichts ging mehr. Der Körper zeigte mir genau an, was ich dringend brauchte: Ruhe.
Meine Krankheit war not - wendig geworden. Ich arbeitete wie im Hamsterrad und hatte mich vor lauter Sorge um andere selbst vernachlässigt. Mein Körper sendete mir erste Signale, die ich irgendwann nicht mehr übersehen konnte. Ich zog die Reißleine und schloß die Praxis, bevor mein Körper mir Krankheiten schicken würde, die nicht so leicht umkehrbar wären.

„In jeder Art von Sucht steckt die Sehnsucht nach sich selbst. Man ist mit seinem So-Sein nicht zufrieden und sucht nach mehr, sucht nach einem Ideal-Selbst, versucht ein anderes oder höheres Bewusstsein zu erreichen. Aber solange man sich auf der Suche befindet, lebt man nicht im Hier und Jetzt, kann die Erfüllung nicht finden. Eine Sucht zeigt, dass man süchtig nach Erfüllung ist, sein wahres Selbst sucht, anstatt zu erkennen, dass man alles, wonach man so verzweifelt sucht, bereits besitzt.“ 
(Tepperwein, 2020, S. 257)

Das Ehepaar S., Mitte 40, hat einen Termin mit mir vereinbart. „Eigentlich könnte alles so schön sein“, meinte der Ehemann, „wenn meine Frau nicht aus heiterem Himmel angefangen hätte zu trinken“. Am Anfang wäre es noch gar nicht so aufgefallen, hier mal ein Bier und dort mal ein Wein. Irgendwann hätte er so ganz nebenbei wahrgenommen, dass aus einem Glas plötzlich zwei wurden und das fast täglich. Mittlerweile können es nicht nur mehr Gläser werden, sondern sie greift auch wahllos nach härteren Sachen. „Ich liebe meine Frau, doch wenn das so weitergeht, dann trenne ich mich. Wir haben schon darüber gesprochen. Sie sind jetzt unsere letzte Chance.“

Süchte haben in den meisten Fällen etwas mit der Familie zu tun. Die Varianten sind dabei genauso Vielfältig wie es Menschen und Familienzusammenhänge gibt. Egal, ob es die Überfürsorglichkeit der Mutter oder die Abwesenheit des Vaters bzw. die emotionale Abwesenheit von Beiden war. Letztendlich leiden wir an einem Mangel an bedingungsloser Liebe.
In dem wir süchtig nach etwas sind, vermeiden wir den Kontakt zu unseren Gefühlen und damit zu uns selbst. Wir versuchen den Mangel im Außen zu befriedigen, da das Gefühl von innerer Leere, des Alleinseins, fehlender Liebe oder dem Gefühl von Trennung oder Verlustängsten kaum aushaltbar erscheint. Außerdem wurde uns nie beigebracht , wie wir uns selbst helfen können. 
Unsere Realität lässt uns leiden, und die Sucht verdeckt unser Leiden, vorübergehend - und verschlimmert es dann.

"Sucht" bedeutet "Nicht Gesagtes" - das, was ich nicht ausdrücken kann oder will.

Hinter jeder Sucht steht ein Thema oder durchaus auch mehrere Themen.


Alkoholsucht: Hier werden Probleme und deren dazugehörige Gefühle verdrängt statt sie zu lösen. Der Alkoholiker sehnt sich nach einer heilen Welt. Der Geist wird vernebelt, man fühlt sich leichter und unbeschwerter und muss der Realität nicht ins Auge schauen. Hier möchte man nicht die Verantwortung für sein Leben übernehmen, aus Angst, wieder verletzt zu werden.


Arbeitssucht: Leistung für Liebe. Man glaubt, über Erfolg beweisen zu müssen, dass man der Liebe (meist der Eltern) wert ist. Angst vor äußerem Mangel aus dem inneren Mangel heraus.


Fettleibigkeit: Ist der Versuch, den Hunger nach Liebe mit Essen zu stillen. Je mehr man ißt, desto größer wird der Hunger. Essen, um zu versuchen, die Vergangenheit oder nicht verarbeitete Erfahrungen zu überwinden.


Nikotinsucht: Steht oft im Zusammenhang mit den Konflikten der Mutter, die in einer tiefen Situation der Einsamkeit lebte. Mangelnde Kommunikation mit der Mutter oder Überbehütung. Mangel an Freiheit und Unabhängigkeit.


Spielsucht: Lieber verspiele ich mein Geld, als mein Leben. Hier zeigen sich oft Verstrickungen über mehrere Generationen.


Reisesucht: Hier zeigt sich, dass man weiter sein möchte, als man ist. Man möchte so schnell wie möglich weiterkommen, um sich darüber Anerkennung, Erfolg und Liebe zu sichern. Doch auch hier wird etwas im außen abagiert, was nur über das Innere erfahren werden kann.


Schokoladensucht: Hier geht es um das Bedürfnis nach Papas Liebe und Zärtlichkeit. Es fehlt das Süße im Leben. Man lebt im Konflikt mit der Abwesenheit, dem Mangel an Liebe oder der Geringschätzung des Vaters.


Sexsucht: Ist der Versuch, sich über das Körperliche die fehlende, vermisste Liebe zu holen, da man Sex mit Liebe verwechselt und nicht als eine von vielen Ausdrucksformen der Liebe sieht.


Sportsucht: Ist die Schwierigkeit, sich selbst zu akzeptieren. Die Abhängigkeit von dem physischen Zustand (im außen), um die Leere (im inneren) der eigenen Unsicherheit zu überdecken und zu füllen.


Zigarettensucht: Das Einatmen von Rauch hat selbstverständlich mit der Atmung und mit der Lunge zu tun. Atmung widerum hat einen starken Bezug zu Kommunikation, Kontakt und Freiheit. Ein Raucher versucht genau diese Bereiche zu befriedigen. Doch ist es nur ein Ersatz für die ersehnte Kommunikation und Freiheit. Der Raucher ersetzt somit seine realen Wünsche durch eine Zigarette und seine eigentlichen Ziele gehen im Nebel jeder einzelnen Zigarette unter.


Zuckersucht: Das Bedürfnis, sich sein Leben zu versüßen, als Ausgleich für das Gefühl des Mangels an Liebe, Zärtlichkeit und Freude im Menschen selbst. 


Nachdem ich im Erstgespräch mehr von Herrn und Frau S. über ihre Gegenwarts- und Herkunftsfamilien und ihr gegenwärtiges Leben erfahren hatte, setzten wir einen gemeinsamen Aufstellungstermin fest, um im besten Falle hinter das Symptom ihrer Alkoholsucht schauen zu können.


Ich werde zum Thema „Aufstellungsarbeit“ in den kommenden Monaten einen extra Blog-Beitrag verfassen. Heute lasse ich dazu kurz geschätzte Kollegen sprechen: 


Die Bedürfnisse der Seele


“Wir müssen unser Leben in all seinen Facetten verstehen können, wir müssen einen Sinn erkennen können in dem, was uns geschieht, und wir müssen das Gefühl haben, dass es in unserer Hand liegt, etwas zu bewegen und zu ändern und die Herausforderungen des Lebens zu bewältigen.

Das ist jedoch nicht möglich, wenn es sich um verborgene Traumata, Verstrickungen und systemische Gefühle handelt, die unseren Problemen zugrunde liegen, also um Probleme und Gefühle, die aus einem System, in das wir eingebunden sind, auf uns wirken. Es ist zumeist das Familiensystem. Doch auch ein berufliches System kann krank machen, beispielsweise bei Mobbing oder Überforderung. [...]

Wir denken, dass die Gesundheit und das Leben das Größte sind, und dass es auf jeden Fall darum geht, die Gesundheit und das Leben zu erhalten. Ich denke, für unsere Seele ist das nicht so. Ich sehe in den Aufstellungen, dass für unsere Seele die Liebe das Größte ist, und dass es unsere Aufgabe im Leben ist, die Liebe zu ermöglichen. Denn die Liebe ist größer als das Leben, sie bleibt weit über den Moment hinaus, den wir als Tod bezeichnen. [...]

Auch ich habe in mehr als tausend Symptomaufstellungen gesehen, wie systemische Verstrickungen den Fluss der Liebe blockieren können und so zu belastenden Symptomen und Krankheiten führen.“

(Wirth, 2020, S. 156/157)


Aufstellungen und Körper


„Bei einer Aufstellung wird nicht nur gesprochen, es ist der gesamte Organismus involviert. Es kommt zu Bewegungen, zu Berührungen, zum Beispiel beim Halten von Händen, zu Umarmungen, zuweilen auch zu aggressiven Kontakten, welche aber nur angedeutet werden und nicht ausgetragen werden dürfen. Aufstellungen enthalten daher immer auch körpertherapeutische Elemente. Es werden die körperlichen Blockaden spürbar, und es kann zu körperlichen Entladungen der Anspannungen kommen, wenn wir zittern, weinen oder schreien. Daher sind Aufstellungen zur Heilung körperlicher Phänomene ein gut geeignetes Mittel. Nach einem Aufstellungsprozess können körperliche Symptome vollkommen verschwunden sein, wie ich das selbst am Beispiel meiner Zahnfleischentzündungen, Reflux-Beschwerden und meines Hustenreizes beobachten konnte.“

(Ruppert & Banzhaf, 2017, S. 87) 

 

Und so stand auch Frau S. am Ende der Aufstellung zitternd vor mir, die ich ihre Mutter vertrat, und weinte herzzerreißend, sozusagen aus dem Urgrund ihrer Seele, derweil ich sie im Arm hielt und einfach nur da war. 

Was war geschehen?

Inmitten der Pubertät von Frau S. verließ ihre Mutter die Familie. Die Eltern stritten schon seit Jahren miteinander und nach einem besonders heftigen Streit mit erstmalig körperlicher Übersprungshandlung seitens ihres Vaters, verließ die Mutter spontan die Wohnung und kehrte nicht wieder zurück. Der Schock saß für die 15-jährige tief. Es folgten harte Jahre, in denen sie sich Gleichgesinnten anschloß, zu viel trank, die Schule schwänzte und kaum noch zu Hause auftauchte, was dem überforderten Vater kaum auffiel. Erst als sie ihren jetzigen Mann kennenlernte, fing sie sich wieder, holte ihren Abschluß nach und gründete mit ihm eine Familie. Alles war gut.

Doch als Jahrzehnte später ihre Chefin, mit der sie sich ausnehmend gut verstand, sich mit dem Firmenchef überwarf und nach einer spontanen Kündigung die Firma für immer verließ, reagierte Frau S. völlig unbewusst mit altbewährten Mustern. Sie griff wieder zum Alkohol...

Drei Wochen später saßen Herr und Frau S. wieder vor mir und berichteten wie es für sie weiter ging. Ab dem Tag unserer Zusammenarbeit hat Frau S. keinen Tropfen Alkohol mehr getrunken. Das Unbewusste wurde bewusst gemacht. “Ich kann es selbst noch gar nicht glauben, aber ich habe einfach keinen Drang mehr danach.“ Und das Ehepaar strahlte sich immer noch ungläubig, aber glücklich an.


Ein Symptom hat seine Aufgabe erfüllt. Der Alkoholkonsum von Frau S. wies auf ihr unverarbeitetes Trauma aus der Pubertät. Nun konnte Heilung geschehen. Das Symptom konnte gehen. Nicht immer wirkt sich eine Aufstellung so schnell aus. Manchmal braucht es auch mehrere Aufstellungen und hin und wieder tritt auch gar keine Veränderung ein. Was letztendlich hilft bleibt oft genauso ein Mysterium wie der Mensch selbst. Wir sind vielschichtig und hochkomplex. Doch kann ich beobachten, dass uns diese Art der Herangehensweise viel Unterstützung bietet auf unserem Weg aus den familiären Verstrickungen. 


Und Du weißt ja, wenn grübeln nicht hilft und machen nicht funktioniert, dann melde Dich gern bei mir und wir schauen gemeinsam auf Deine Herausforderungen, welcher Art auch immer.


Bücher:

Dethlefsen, T. & Dahlke, R. (2015). Krankheit als Weg. Deutung und Be-Deutung der Krankheitsbilder (22. Aufl.). München: Goldmann.


Lieben, C. & Renoldner, C. (2011). Verzeihung, sind Sie mein Körper?: Körper- und Symptomaufstellungen in einer körperfernen Zeit. München: Kösel-Verlag.


Ruppert, F. & Banzhaf, H. (2017). Mein Körper, mein Trauma, mein Ich: Anliegen aufstellen - aus der Traumabiografie aussteigen (3. Aufl.). München: Kösel-Verlag.


Tepperwein, K. (2009). Die Botschaft deines Körpers: Die Sprache der Organe (18. Aufl.). München: mvg-Verlag.


Tepperwein, K. (2020). Was dir deine Krankheit sagen will: Aktiviere die Heilkraft deiner Seele (14. Aufl.). München: mvg-Verlag.


Wirth, R. (2020). Im Herzen frei: Wie Familienaufstellungen helfen, Probleme und Blockaden zu lösen. Berlin: Akkadeus-Verlag.


Links:

Bedeutung von Krankheits- und Schicksalsschlägen mit Dr. Treina Krankheit als Sprache der Seele mit Dr. Dahlke Krankheit als Sprache der Seele mit Kurt Tepperwein Aufstellung mit Jenny und Ihr „schmerzender Fuß“ mit Elke Christiane Post
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